Das Each-can-Englisch-Syndrom

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Vor Kurzem habe ich mich mal wieder mit einem irischen Freund unterhalten, der in Berlin lebt und dem in Deutschland immer wieder merkwürdige englische Sätze begegnen. Als Sprachästhet kann er sich darüber herrlich aufregen. Zwar bin ich weit von englischer Perfektion entfernt, doch stolpere auch ich immer wieder über Texte in fragwürdigem Englisch: Sätze, die im besten Fall hölzern klingen, im schlimmsten Fall un- oder gar missverständlich sind. Schuld daran ist häufig ein Phänomen, das wir an der Uni das „each can Englisch (and I erst recht)“-Syndrom nannten, diese „Ach, Englisch kann doch jeder“-Einstellung. Englisch steht im Verdacht, eine leichte Sprache zu sein; haben wir schließlich fast alle mehr oder weniger gelernt.

So kommt es, dass motivierte Praktikanten, engagierte Mitarbeiter und ambitionierte Chefs nach bestem Wissen und Gewissen (und mit Hilfe von Google translate) munter auf englisch schreiben, übersetzen und diese Texte der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Nichts gegen Mut im Umgang mit Fremdsprachen – im Gegenteil! Wenn man eine Sprache lernt, ist es wichtig, sich selbst etwas zuzutrauen, auszuprobieren und Fehler machen zu dürfen. Und sich – wie so viele Bahnmitarbeiter – tapfer durchzuquälen. Aber es gibt einen Unterschied zwischen einer Reservierungs-E-Mail oder Small Talk im Supermarkt und Werbetexten oder Informationsschildern. In diesem Selbermach-Wahn wird vergessen, dass es bei Texten im professionellen Umfeld nicht nur ums reine Verstehen geht, sondern auch um Seriosität, Glaubwürdigkeit und damit auch ums Verkaufen der eigenen Produkte und Dienstleistungen.

Natürlich muss man nicht für jede Hobbybastler-Homepage einen Übersetzter engagieren, aber im professionellen Umfeld sollte man auf die Arbeit von Profis zurückgreifen. An Magengeschwüre, die Elektrokabel und unsere Haare lassen wir ja im Normalfall auch die ran, die es wirklich können. Und ich breche diese Lanze für Sprachprofis nicht, weil ich so viele nette Übersetzer kenne, die sich über neue Aufträge freuen, oder es selbst am allerbesten kann, sondern damit uns zukünftig Schilder wie dieses hier erspart bleiben:

we ask for understanding ...
we ask for understanding … ???