Erst die Menschen, dann die Bücher: Leipziger Buchmesse 2014

Veröffentlicht in: unterwegs | 2
wpid-IMAG2754.jpg
Verkehrte Buchmessenwelt.

Seit einiger Zeit habe ich den Verdacht, dass die Bücher auf einer Buchmesse nur als Tarnung dienen. Eigentlich geht es für Verlagis bei den Messen nicht um Bücher; davon haben wir selbst bei Bedarf genug und die können wir auch jederzeit nach Hause bestellen, wenn wir Sehnsucht nach einem bestimmten haben sollten. Bei einer Buchmesse geht es um die Menschen, die – im weitesten Sinne – hinter den Bücher stehen. Mir jedenfalls. Diese Großveranstaltungen sind auch gute Gelegenheiten zur Standort- und Kursbestimmung: Wo steht die Branche, wie geht’s weiter? So auch bei der diesjährigen Leipziger Buchmesse, die in den letzten Tagen stattfand.

Ausnahmsweise privat und ganz ohne offizielle berufliche Verpflichtungen unterwegs, hatte ich nur zwei feste Termine gesetzt. Dazu gehörte natürlich das traditionelle Buchmessen-Twittagessen am Freitagvormittag. Gegessen wird bei so einem Twittagessen ja nie – außer ein Eis in der Sonne oder Notfall-Bananen vielleicht. Inzwischen ist mein Lieblingsbuchmessentermin zu einer Art Klassentreffen geworden, bei dem ich viele Digitalos und Onliner auf einmal wiedersehe, neue kennenlerne und immer viel Spaß habe.

Freitagnachmittag war das für mich erstes Treffen der Iron Buchblogger. Ich habe nicht schlecht gestaunt, wie groß die junge Vernetzungsinnitative innerhalb weniger Monate geworden ist und wie viele interessante Buchblogs es neben denen, die ich sowieso schon auf dem Schirm habe, noch gibt. Schön, dass die Bewegung so schnell so groß geworden ist.

Messe-Eindrücke

Messemann
Eine Konstante im Sog der Veränderung: das Leipziger Messe-Männchen.

Trotz meiner Terminlosigkeit war ich nie lange alleine in den Menschenmassen. Ich traf viele Bekannte, ließ mich treiben und zu Veranstaltungen wie der Präsentation von LYX Storyboard mitschleppen. Ich entdeckte spannende Stände, wie den der Deutschen Zentralbücherei für Blinde, der mir die Verlags- und Buchwelt mit ganz anderen Augen zeigte. Bei einem interessanten Mittagessen im Pressezentrum lernte ich die Arbeitsgemeinschaft Verlags-Pressesprecher kennen, deren Arbeit ich demnächst mal näher unter die Lupe nehmen werde.

Erst am Mittag des zweiten Tages hielt ich beim Mare-Verlag das erste Buch in der Hand. Es war übrigens „Silver“ von Andrew Motion, das ich im Original sofort auf meinen virtuellen SUB (Stapel ungelesener Bücher) lege. Mein besonders Buch-Highlight war der Besuch beim Verlag Hermann Schmidt, der mich mit den aufwendigen, clever konzipierten und außergewöhnlich schönen Büchern jedes Mal neu begeistern – und mir zeigt, was ich alles noch über Typographie lernen könnte.

wpid-IMAG2756.jpg
„Vorsicht Buch“ wird wilder, schärfer und ist jetzt echt voll süß.

Im letzten Jahr hatte der Börsenverein ja in Leipzig die Imagekampagne „Vorsicht Buch“ präsentiert, von der ich zugegebenermaßen bisher kein großer Fan war. Nach dem angekündigten Stickersammelalbum (das meine Nichte bestimmt super findet), hat mir aber jetzt der neue Ansatz mit den Buchverschenkern zumindest in der Gestaltung besser gefallen. Chakka, da ist noch Luft nach oben.

Auffällig war für mich in diesem Jahr, dass sich das Leipziger Messekonzept, kleine Verlage zu locken, auszuzahlen scheint: viele kleine Verlage haben sich mächtig gemausert und präsentieren ihre exklusive Titelauswahl an attraktiven Ständen. Einige der reinen E-Book-Verlage, an die ich mich aus dem letzten Jahr erinnere, habe ich in diesem Jahr nicht, oder in gewandelter Präsentation (ohne ausgedruckte Bücher und leere DVD-Hüllen) gesehen. Die Hallen sind wieder voller geworden und die Essenbereiche mit den Bierbänken sind deutlich geschrumpft.

Den Tagen auf der Messe schlossen sich wieder lustige, unterhaltsame, leckere Abende in bester Gesellschaft und in schönen Locations an. In ganz Leipzig spürt man, dass Buchmesse ist und das liegt nicht nur an den farbenfrohen Cosplayern, die tagsüber auch die Stadt bevölkern. Das Lesefest „Leipzig liest“ trägt zum besonderen Flair der Messe bei und es ist ein Genuss, in dieser schönen Stadt zu Gast sein zu dürfen.

Fazit

image
Auch der schönste Messetag geht zu Ende.

Nach 72 Stunden blicke ich zurück auf meine erste Messe ganz ohne Buchmessenhype und Termindruck, dafür mit vielen tollen Menschen, Begegnungen und Entdeckungen. Noch nie habe ich mich so zuhause gefühlt in dieser Branche wie jetzt. Es bewegt sich etwas, es läuft endlich. Auch bei vielen Verlagis ist gerade etwas im Umbruch, wir wechseln die Stellen, bekommen neue Aufgaben, richten uns neu aus und ein. Das passt zu den Veränderungen in der Branche und ist mir sehr sympathisch. Ich bin gespannt, wie sich unsere Buchwelt bis zum Herbst in Frankfurt gedreht haben wird.

2 Antworten