Geisteswissenschaften: Und was wird man damit? Freiberufliche Lektorin, zum Beispiel

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In der Interview-Reihe „Und was wird man damit?“ erzählen fast jeden Dienstag GeisteswissenschaftlerInnen, die im Beruf stehen, aus ihrem Arbeitsalltag und was ihnen das Studium tatsächlich gebracht hat. Heute: Martina Wallner, freiberufliche Lektorin.

Aus purer Leidenschaft und entgegen aller gut gemeinten Ratschläge studierte Martina Wallner (40) Germanistik, Pädagogik und Ethnologie. Seit ihrem Studium arbeitet sie als freiberufliche Lektorin für wissenschaftliche Texte und gründete 2009 das Rheinlektorat. Ihr Interesse für alte Handschriften kommt Martina allerdings eher bei Projekten einer Seminarbibliothek zugute, an denen sie zur Abwechslung mitarbeitet, als bei den Manuskripten ihrer Autoren.

Erzählt mal, Martina: Wie bist du zu deinem aktuellen Job gekommen?
Bereits als Studentin habe ich in einem wissenschaftlichen Verlag gearbeitet, um Berufserfahrung zu sammeln und natürlich auch um Geld zu verdienen. Die Arbeit war toll. Genauso spannend und abwechslungsreich, wie ich es mir erhofft hatte. Insbesondere der Kontakt zu den Autoren und das Betreuen eines Manuskriptes von der ersten Durchsicht bis zur Drucklegung machten mir Freude. Auch nach dem Studium arbeitete ich in einem tollen Team freier Lektoren, was mich dazu veranlasste, nach meinem Umzug ins Rheinland, mein eigenes Lektoratsbüro zu gründen, dessen Name „Rheinlektorat“ meiner neuen Wahlheimat geschuldet ist.

Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Selbstbestimmt! Keine festen Arbeitszeiten, stattdessen freie Zeiteinteilung – was ich als Privileg empfinde. Dennoch folgt auch mein Arbeitstag einem gewissen Rhythmus: Früh am Morgen widme ich mich Buchhaltungs- und Verwaltungsarbeiten, die einen viel größeren Teil der Selbstständigkeit ausmachen, als ich mir das anfänglich vorgestellt hätte. Glücklicherweise mag ich auch diesen Teil meiner Arbeit.

Wenn alle Familienmitglieder das Haus verlassen haben, folgt für mich eine intensive Zeit am Schreibtisch, die bis zum frühen Nachmittag andauert. In dieser Zeit wird lektoriert, redigiert und ab und an auch getextet. Den Nachmittag gebe ich mir frei und am Abend folgt dann eine weitere Runde am Schreibtisch. Ich mag es, am späten Abend zu arbeiten, wenn alles um mich herum so still und friedlich ist.

Was sind die unalltäglichen Highlights deines Jobs?
Wenn ich ab und an journalistisch tätig werde, Interviews führe und selbst schreibe, aber auch die gelegentliche Teilnahme an Tweetups.

Was hast du im Studium gelernt, was dir heute noch hilft?
Wirklich viel. Damit meine ich weniger konkrete Inhalte, sondern tatsächlich die viel beschworenen Schlüsselqualifikationen, die man vor dem Bologna-Prozess wie selbstverständlich in einem geisteswissenschaftlichen Studium erwerben konnte, ja im Grunde erwerben musste, wollte man sein Studium in der Regelstudienzeit beenden: Die Fähigkeit sinnvoll auszuwählen, sich eigenständig für (Lern)Inhalte zu entscheiden und sich diese mithilfe geeigneter Fachliteratur, die es zunächst einmal zu recherchieren und zu beurteilen galt, anzueignen. Eigentlich wurde alles geschult, was mit dem „Selbst“ zu tun hat: Selbstdisziplin, Selbsteinschätzung, Selbstentfaltung … für mich somit kein Wunder, dass viele Geisteswissenschaftler den Weg in die Selbstständigkeit wählen.

Welche Fähigkeiten und Kenntnisse findest du für deine Arbeit besonders wichtig?
Sprachgefühl, Detailverliebtheit, eine Prise Pedanterie, Disziplin und ein gutes Zeitmanagement.

Wenn du zurückblickst auf die Anfänge deines Berufslebens, welchen Tipp würdest du dir selbst geben?
Ich würde meinem 25-jährigen Ich raten etwas gelassener zu sein und mehr auf seine Intuition zu vertrauen. Vermutlich hätte ich mein Rheinlektorat dann schon mit 25 gegründet und nicht erst mit 34. Dann aber wohl unter einem anderen Namen.

Vielen Dank, dass du uns aus deinem beruflichen Leben erzählt hast, Martina.