Kristin Oswald

Geisteswissenschaften: Und was wird man damit? Online-Redakteurin, zum Beispiel

Veröffentlicht in: Abenteuer Alltag | 2

In der Interview-Reihe „Und was wird man damit?“ erzählen immer mal wieder dienstags GeisteswissenschaftlerInnen, die im Beruf stehen, aus ihrem Arbeitsalltag und was ihnen das Studium tatsächlich gebracht hat. Heute: Kristin Oswald, Online-Redakteurin.

Kristin Oswald (30) studierte Alte Geschichte, Klassische Archäologie und Ur- und Frühgeschichte. Über Disziplingrenzen hinweg interessiert sie sich für die größeren Zusammenhänge und nutzte die Freiheiten des Magisterstudiums, um auch Randbereiche der Antike kennenzulernen. Heute leitet sie die Online-Redaktion des Fachmediums Kulturmanagement Network und beschäftigt sich auch nebenberuflich damit, wie man Archäologie, Marketing und Management zusammenbringt.

Wie bist du zu deinem aktuellen Job beim Kulturmanagement Network gekommen, Kristin?
Das war ein Weg mit vielen Wendungen. Wie viele habe ich nach dem Studium erst mal relativ planlos angefangen, mich wild durch die Gegend zu bewerben. Das hat aber nicht gut geklappt. Also hab ich überlegt, wie ein Profil für mich aussehen könnte, und beschlossen, dass Medien das Richtige für mich wären. Dort könnte ich kreativ werden und im Idealfall meine Vorliebe für die Antike an die Menschen weitergeben. Also hab ich eine Weile für eine kleine Regionalzeitung gearbeitet und eine Social Media-Weiterbildung für Geisteswissenschaftler gemacht. 2012 gab es noch keine Studiengänge in diesem Bereich und kaum spartenspezialisierte Social Media-Manager. Diese Monate waren ein tolle Zeit, die meinen Horizont unglaublich erweitert hat.

Danach habe ich ein Volontariat in einer archäologischen Redaktion angefangen, aber schnell gemerkt, dass es mir nicht reicht, Fachtexte zu korrigieren. Internet war dort nur ein Nebenthema und mir hat die Möglichkeit gefehlt, meine Ideen dazu auszuprobieren, wie man geisteswissenschaftliche Erkenntnisse im Netz aufbereiten. Deshalb habe ich das Volo abgebrochen und bin zu Kulturmanagement Network gewechselt, einem Fachmedium für alle, die im Kulturbereich arbeiten.

Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Der Kern besteht darin, die Redaktion so gut wie möglich am Laufen zu halten. Ich recherchiere Themen und Autoren, mit denen ich an ihren Fachtexten arbeite, ich schreibe selbst, plane die Veröffentlichung der Beiträge, befülle unsere Social Media-Kanäle und bin für unsere Partner zuständig. Das sind vor allem Organisatoren von Konferenzen, die wir vor Ort begleiten, aber auch Werbekunden, Verlage oder Grafiker. Natürlich mache ich das alles nicht allein, aber ich bin die, die den Überblick behalten muss.

Was sind die unalltäglichen Highlights deines Jobs?
Meine Highlights sind die vielen Menschen, die ich kennenlerne und die mir ständig Input zu ganz verschiedenen Themen geben. Neue Themen geben mir einen Kick und ich fange an, daraus Zukunftsvisionen zu entwickeln. Manchmal ruft unverhofft jemand an und erzählt mir von einem tollen Projekt. Dann verlieren wir uns in einem Gespräch darüber, wie man das spannend an unsere Leser bringen kann. Manchmal treffe ich bei Konferenzen Menschen, die mir ganz neue Perspektiven aufzeigen. Und manchmal kommt jemand auf mich zu und erzählt mir, dass er unsere Arbeit toll und wichtig findet und wir ihn inspiriert haben. Das ist immer ein besonderes Highlight. Und natürlich meine Kollegen. Wir sind ein kleines Team, aber sehr kreativ und haben ständig Ideen, die wir dann auch ausprobieren. Das ist sehr wichtig für mich, um motiviert zu bleiben und nicht nur Dienst nach Vorschrift zu machen.

Was hast du im Studium gelernt, was dir heute noch hilft?
Ganz klar die kulturwissenschaftlichen Grundkenntnisse. Ich arbeite mit Kunsthistorikern, Ethnologen oder Theaterwissenschaftlern und da ist es wichtig, sich in deren Gebiet und Denkweise hineinversetzen zu können.

Dann auch die Fähigkeit, verschiedenste Aspekte eines Themas zusammenbringen zu können. Geschichte zu studieren heißt ja, sich zum Beispiel mit Religion und Politik zu beschäftigen, damit wie Institutionen und Gesellschaften funktionieren und wie Menschen ticken. Das ist in vergangenen Gesellschaften genauso wie heute und wirkt sich auch darauf aus, wie Kultureinrichtungen in ihrem Ökosystem agieren.

Und das Dritte ist sicherlich die Metaebene. Als Historiker betrachtet man eine Gesellschaft quasi von oben, ihren Kontext. Das mache ich heute mit dem Kulturbereich auch. Ich schaue auf größere Zusammenhänge, die die Mitarbeiter in den Einrichtungen so vielleicht nicht sehen, weil sie mit ihrer täglichen Arbeit zu beschäftigt sind. Also versuche ich, sie in Texte zu verpacken, die ihnen neue Ansätze, Lösungen für ihre Probleme oder Best Practices aufzeigen, ihnen ihre Arbeit erleichtern oder sie auf neue Ideen bringen.

Welche Fähigkeiten und Kenntnisse findest du für deine Arbeit besonders wichtig?
Meine journalistische Arbeit besteht aus zwei Fähigkeiten: abstrahieren und herunterbrechen, größer und kleiner denken. Ganz wichtig dabei ist, kritisch zu sein und keine Angst davor zu haben, dass die Leser vielleicht nicht einverstanden sind mit dem, was ich sage. Ich muss mich unbequem machen, wenn ich etwas verbessern will und das ist mein Ziel: die Kultur zu einem Teil der Gesellschaft zu machen, der nicht als überhebliche Elfenbein-Institution wahrgenommen wird, sondern als etwas, das anhand anderer Kulturen und Lebensweisen die Perspektiven der Besucher öffnet, ihr Leben bereichert und ihnen zeigt, wie die Welt und die Gesellschaft sein könnten. Dafür muss ich auch den Menschen in der Kultur selbst zeigen, wie Dinge anders laufen könnten.

Ein Kern meiner Arbeit ist dabei die professionelle Ebene der Kommunikation. Einfühlungsvermögen in die Arbeitswelten und Denkweisen gehören dazu, argumentieren und sich durchsetzen, aber auch einstecken zu können und mich korrigieren zu lassen. Nicht nur inhaltlich. Wenn man eine Redaktion mit verschiedenen Arbeitsbereichen koordiniert, muss man den Überblick behalten, Prioritäten setzen und dazu stehen, wenn mal etwas schief geht. Man muss mit Stress und Chaos klarkommen, dafür sorgen, dass immer alle im Bild sind, ihnen wenn möglich den Rücken stärken und etwas vom Stress abnehmen.

Wenn du auf die Anfänge deines Berufslebens blickst, welchen Tipp würdest du dir selbst geben?
Mit 25 war ich mit dem Studium fertig und rückblickend ist es verrückt, wie viel seitdem passiert ist. Damals hätte ich nie gedacht, dass ich mache, was ich heute mache. Vermutlich würde ich mir sagen: Sei realistisch und sei strategisch. Überleg dir genau, was du machen willst, nicht nur einfach irgendwas mit Geschichte, und was du brauchst, um dorthin zu kommen. Geh deinen Weg, steh zu deiner Meinung, mach dir klar, was du kannst. Steck nicht den Kopf in den Sand und vor allem hör auf zu denken, dass Arbeit alles ist. Nimm nicht alles hin, achte darauf, dass du dich nicht fertig machst. Du kannst nicht immer 100% geben und beste Qualität liefern. Vergiss nicht, dass du auch ein Privatleben hast. Beschäftige dich auch mal mit etwas anderem, komm aus deiner Filterblase. Und hör nie auf zu träumen. Sehr poetisch, nicht?

Vielen Dank, Kristin, für diesen Einblick in dein Leben.

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