Jenny Warkentin

Geisteswissenschaften: Und was wird man damit? Personalerin, zum Beispiel

Veröffentlicht in: Abenteuer Alltag | 1

In der Interview-Reihe „Und was wird man damit?“ erzählen immer mal wieder dienstags GeisteswissenschaftlerInnen, die im Beruf stehen, aus ihrem Arbeitsalltag und was ihnen das Studium tatsächlich gebracht hat. Heute: Jenny Warkentin, Personalerin.

Jenny Warkentin (34) studierte Deutsch als Fremdsprache und Amerikanistik und hat seit ihrem Magisterabschluss vor sieben Jahren schon einige Berufe ausprobiert – zum Beispiel Jazzpianistin. In ihrem Blog geistesfindung erzählt sie von ihren Erfahrungen beim Berufseinstieg und was sie dabei gelernt hat. Heute arbeitet sie in der Personalabteilung eines familiengeführten Unternehmens, wo sie genau am richtigen Platz gelandet zu sein scheint.

Jenny, du bist „Assistentin HR Global Mobility“. Klingt ja super, aber was bedeutet das?
Dahinter verbirgt sich ein sehr spezifischer Bereich der Personalarbeit, bei dem es um Firmenmitarbeiterentsendungen geht. Steht fest, dass ein Mitarbeiter im Auftrag des Unternehmens in ein anderes Land „entsendet“ wird, kommt unser Team zum Einsatz. Sei es von der Vertragsgestaltung, der Klärung der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Situation bis hin zur Einholung der Arbeitserlaubnis, der Wohnungs- und Schulsuche, aber auch Themen wie der Umgang mit Wechselkursschwankungen, der Entscheidung in welcher Währung und ob im Heimat- oder Gastland das Gehalt ausgezahlt wird, der Organisation des Umzugs, interkulturelle Beratung und ähnliches.

Wie bist du zu deinem aktuellen Job gekommen?
Ich habe einen ziemlichen wirren Berufseinstieg gehabt und viele verschiedene Dinge ausprobiert. Nachdem ich bereits als Jazzpianistin, Koordinatorin und Sprachtrainerin gearbeitet hatte, hatte ich das große Glück, zunächst als Quereinsteigerin auf der Dienstleistungsseite Firmenmitarbeiterentsendungen kennenzulernen. Ich wurde einfach ins kalte Wasser geworfen und musste ganz schnell herausfinden, wie man eine Arbeitserlaubnis einholt, einen internationalen Umzug organisiert oder eine Wohnung in Tokio oder Bogotá findet. Natürlich hatte ich keine Ahnung, wie man zum Beispiel ein Pferd von Paris nach Toronto verschifft, aber ich lernte schnell mit Tierärzten oder auch Einwanderungsanwälten und Partnern, die vor Ort zum Beispiel mit den Firmenmitarbeitern zu den örtlichen Behörden gingen, zu kommunizieren und sie zu koordinieren.

Dieses Spezialwissen, das ich mir während der Zeit aneignete, kam mir schließlich beim Wechsel vom Dienstleister zur Personalabteilung zugute. Obwohl ich mich ursprünglich im Unternehmen auf eine andere Stelle beworben hatte, fragte man mich, nachdem mir bereits abgesagt worden war, ob ich mir nicht vorstellen konnte stattdessen im Bereich Global Mobility eingesetzt zu werden. Ich bin nun seit etwas mehr als einem Jahr auf der Personalerseite und bereue meine Entscheidung kein bisschen. Erst jetzt, nach sieben Jahren Berufserfahrung, kann ich für mich sagen, meinen beruflichen Platz gefunden zu haben.

Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
In unserem Team haben wir die Aufgaben entsprechend unserer Spezialisierung aufgeteilt. Meine Kollegin berechnet zu Beginn, wie viel eine Entsendung dem Unternehmen kostet. Sie kennt sich außerdem gut mit Steuern und Sozialversicherung aus und kümmert sich um die korrekte Vertragsgestaltung. Ich bin eher operativ unterwegs und organisiere die praktischen Aspekte, sobald die Entsendung feststeht. Ich kümmere mich zum Beispiel darum, Umzugsunternehmen anzufragen, beantrage entweder selbst die Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis oder setze einen Dienstleister dafür ein, organisiere, dass die Wohnungssuche läuft, buche interkulturelle Trainings oder kläre ab, ob meine Kollegen in der Personalabteilung im Ausland Hilfe benötigen, weil sie noch nie einen Entsandten bei sich aufgenommen haben oder zum ersten Mal einen ins Ausland entsenden.

Was sind die unalltäglichen Highlights deines Jobs?
Ich breche jedes Mal in Freudentänze aus, wenn ein Entsandter das Visum bzw. die Arbeitserlaubnis erhalten hat. Egal, ob ich den Visumsantrag direkt selbst gestellt habe, wenn die Entsendung nach Deutschland ist oder dies mithilfe eines Einwanderungsanwalts oder eines Dienstleister passiert ist, wenn es ins Ausland geht.

Ansonsten erlebt man in diesem Job ständig lustige Dinge. Da gibt es zum Beispiel eine Katze, die im Flieger mit der Familie mitreisen sollte, aber trotz Beruhigungsmittel am Flughafen ausbüxte und erst einige Tage später wiederentdeckt wurde. Oder ein Pass, der aus Versehen in den Umzugscontainer eingepackt wurde und erst 800km später im Hafen wieder aus dem Container herausgenommen werden konnte. Der Entsandte konnte erst drei Tage später als geplant ins Zielland fliegen.

Was hast du im Studium gelernt, was dir heute noch hilft?
Insbesondere sich innerhalb sehr kurzer Zeit in neue Themen einzuarbeiten und sich selbst gut zu organisieren. Eine Entsendung ist wie ein Dominospiel: Wenn es an einer Stelle hakt, hat das gleich Auswirkungen auf andere Punkte. Nur wenn man den Überblick behält und strukturiert vorgeht, besteht die Chance, dass es glatt läuft.

Mein Studienfach Deutsch als Fremdsprache hatte einen sehr hohen Anteil an interkulturellen Themen. Die setze ich heute ganz praktisch um, wenn ich den ganzen Tag mit der ganzen Welt zu tun habe. Außerdem kommt bei mir die Sprache Englisch dauerhaft zum Einsatz: Ich spreche durchschnittlich mindestens 60% der Zeit Englisch, oft ist der Anteil sogar deutlich höher.

Welche Fähigkeiten und Kenntnisse findest du für deine Arbeit besonders wichtig?

  • Sehr gute Kommunikationsfähigkeiten, die man entsprechend variieren kann, wenn man mit Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen zu tun hat. Fließende Englischkenntnisse sind dabei zwingend ein Muss;
  • Dienstleistungsmentalität;
  • Koordination- und Organisationsfähigkeit;
  • Problemlösefähigkeit: Schief geht immer was, eine Entsendung ist komplex, sodass man einen kühlen Kopf in kritischen Situationen bewahren muss.

Wenn du zurückblickst auf die Anfänge deines Berufslebens, welchen Tipp würdest du dir selbst geben?
Chill ein bisschen! Mach dir nicht so einen Stress und so viel Sorgen, was du später mal beruflich machen wirst. Verwende lieber deine Energie darauf zu schauen, was dir heute Spaß macht, mache konkrete Pläne, wie du in diesem Bereichen Praktika machen kannst oder auf andere Art Einblick in das Berufsfeld bekommst und versuche Leute kennenzulernen, die in dem Feld arbeiten.

Vielen Dank, Jenny, für diesen Einblick in deine Berufsfindung und deinen Alltag.